Berlin, 18. Juli 2023 – Im Zuge des von der Bundesregierung geplanten Energieeffizienzgesetzes haben Politik und Internetwirtschaft zuletzt intensiv diskutiert, wie Anbieter des Ökosystems digitaler Infrastrukturen ihre Energieeffizienz in Deutschland noch weiter verbessern können. Im Fokus standen hierbei insbesondere die Rechenzentrumsbranche und die Anforderungen zur Abgabe von Abwärme.
Das Potenzial liegt klar auf der Hand: Wird die Abwärme von Rechenzentren konsequent genutzt, könnten beispielsweise bis 2030 in Frankfurt am Main – Sitz von mehr als 60 Rechenzentren und des größten Internetaustauschknoten – sämtliche Wohn- und Büroräume CO2 neutral geheizt werden.
Abwärme von Rechenzentren darf nicht ungenutzt verpuffen
Auf dieses Potenzial weist die unter dem Dach des eco Verbands gegründete Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen schon seit ihrer Gründung im Jahr 2018 hin: Abwärme von Rechenzentren darf nicht ungenutzt verpuffen und es braucht politische und technische Rahmenbedingungen, um die Abwärmenutzung von Rechenzentren zu verbessern. Konkret heißt das: Nah- und Fernwärmenetze ausbauen, technische Systeme für Abwärmenutzung verbessern, Abnahmeverpflichtungen für Wärmenetzbetreiber schaffen, sowie Nutzungsmöglichkeiten sowohl in Städten als auch im ländlichen Raum erschließen.
Der im November 2022 bekannt gewordene Entwurf eines Energieeffizienzgesetzes des Bundeswirtschaftsministeriums verpflichtete Rechenzentren dann jedoch zur Abgabe ihrer Abwärme in unrealistischem Ausmaß. Ausreichend Wärmenetze oder etwa ein Markt an Abnehmern? Fehlanzeige. Umso misslicher, da es mit dem Climate Neutral Data Centre Pact längst eine internationale Selbstverpflichtungserklärung der Branche gab, Rechenzentren bis 2030 klimaneutral zu gestalten. Noch dazu eingebettet in die aktuell in Abstimmung befindliche Energy Efficiency Directive für Europa.
Gleichwohl verfolgten Bundesregierung und Rechenzentrenbranche von Anfang an dieselbe Zielsetzung: Insbesondere neue Rechenzentren so energieeffizient wie möglich zu gestalten und Abwärme so gut es geht zu nutzen.
Auch wenn in den ersten Entwürfen des Energieeffizienzgesetzes Theorie und Praxis einige Monate lang zu weit auseinander standen, haben schlussendlich die Parlamentarier:innen des Deutschen Bundestags ganze Arbeit geleistet. Sie griffen die Bedenken der Branche auf und präsentierten eine praxistauglichere Lösung zur finalen Abstimmung, die die Nachhaltigkeitsziele stärkt, Deutschland als Vorreiter der Energieeffizienz von Rechenzentren positioniert und gleichzeitig durch einen zumindest ausgewogeneren Regulierungsansatz versucht, den Standort für Rechenzentren nicht gänzlich unattraktiv zu machen.
So könnte aus einem zunächst handwerklich schlecht gemachten Gesetzentwurf schlussendlich doch noch eine gute Regelung für eine nachhaltigere Digitalisierung in Deutschland geworden sein, falls das Gesetz nach der gekippten Abstimmung im Bundestag in der letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause nun im September zügig verabschiedet wird.
Energieeffizienzgesetz stärkt Ökobilanz der Digitalisierung
Stand heute kann das Energieeffizienzgesetz als Erfolg für den Klimaschutz bilanziert werden.
Dies liegt erstens vor allem in der darin festgeschriebenen Power Usage Effectiveness (PUE). Sie gibt an, wie effektiv die zugeführte Energie in einem Rechenzentrum verbraucht wird. Je näher sich der PUE-Wert dem für kommerzielle Rechenzentren theoretischen Wert von 1,0 annähert, desto energieeffizienter arbeitet das Rechenzentrum und desto besser ist dessen Energiebilanz.
Mit einem PUE-Wert von 1,2 liegt die ambitionierte Vorgabe des Energieeffizienzgesetzes nun deutlich unter den europäischen Vorgaben (1,3). Doch führt dies auch zu großen Herausforderungen für die Betreiber von Rechenzentren in Deutschland. Die möglichen Konsequenzen für die Branche aus diesen ambitionierten Vorgaben müssen daher dringend im Fokus der weiteren Entwicklung bleiben. Zum Verständnis: Im PUE wird das Verhältnis von IT-Strom zum Strombedarf der Stromversorgungs-, Kühlungs-, Beleuchtung- und sonstigen Nicht-IT-Anlagen ausgedrückt. Der PUE ist ein technischer Parameter, der nie als alleiniger regulatorischer Effizienzwert gedacht war.
Je näher sich der PUE-Wert dem für kommerzielle Rechenzentren theoretischen Wert von 1,0 annähert, desto schwieriger ist er zu erreichen. Rechenzentren werden unter anderem deshalb gebaut, um wichtige sowie sensible IT-Systeme vor dem Ausfall von Stromversorgung und Kühlung zu schützen. Die dafür notwendigen Anlagen verbrauchen auch selbst Strom.
Zweiter Punkt: Die verpflichtende Abwärme-Abgabe von neuen, ab Juli 2026 in Betrieb genommenen Rechenzentren besteht weiterhin. An den zeitlich gestaffelten Pauschalen von zunächst 10, 15 und dann 20 Prozent bis 2028 hat sich auch zuletzt nichts geändert.
Durch geschärfte Ausnahmeregelungen sollen Rechenzentren nun zudem von Anfang an mit der Möglichkeit der Abwärme-Abgabe geplant werden. Durch den sogenannten Readiness-Ansatz sind Betreiber dann bei Bedarf in der Lage, ihre Abwärme mit akzeptablem, zeitlichem, technischem und kommerziellem Aufwand abzugeben.
Drittens besteht weiterhin die Pflicht zur Nutzung von erneuerbaren Energien für den Betrieb der Rechenzentren. Einziges Problem in Deutschland: Die zur Verfügung gestellten Mengen an Strom aus erneuerbaren Energien reichen Stand heute noch nicht für einen bundesweiten 24/7 Betrieb.
Zudem bleiben auch die Dokumentationspflichten für die Betreiber von Rechenzentren zum Beispiel in Sachen Energieverbräuche, Effizienz des Kühlsystems, Menge der Abwärme oder der Wassernutzung von Rechenzentren. Sie orientieren sich nur jetzt jedoch mehr an der europäischen Energieeffizienz-Richtlinie (EED).
Auch werden Betreiber nun nicht mehr gezwungen, ihre Geschäftsgeheimnisse offenzulegen, sondern konkret mit ihren Kunden auszutauschen.
Mit diesem Portfolio an Vorgaben und Regulierungsansätzen werden Rechenzentren in Deutschland die Ökobilanz der Digitalisierung deutlich verbessern und liegen damit weit über den Vorgaben, die aktuell in Europa für die Branche vorbereitet werden.
Doch es bleiben Herausforderungen: Ohne ausreichend erneuerbare Energien, einem flächendeckend ausgebauten Glasfasernetz und einer breiten 5G Versorgung für mobiles Internet in Deutschland wird es nicht gelingen, das mögliche Maximum der Nachhaltigkeits-Potenziale auf infrastruktureller Ebene herauszuholen.
Dafür werden wir uns also auch in Zukunft mit der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen weiterhin einsetzen.